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Leseprobe Die Sage von Thuslan

 

Es gibt mehr Dinge zwischen

Himmel und Erde,

als die Schulweisheit euch beibringen kann. 

Hamlet

 

 1.

Der Werdegang von Turk, dem Magier, der auch unter einem der vielen Namen wie der Unbesiegbare oder der Unbegreifliche später bekannt wurde, sei nicht einfach erzählt. Eigentlich hieß er nur Turk, es gibt selten Nachnamen in Tuslan. Er wurde so genannt, weil er als Baby im Wald von Lanzei gefunden wurde. Es ist ein von Rothlenzen umgebenes Gebiet in Thuslan. Diese Tiere rufen immer TURK, TURK, und sind mit unseren Hühnern zu vergleichen, nur daß sie einen Kopf haben, der so groß wie ihr Körper ist. Rothlenzen schmecken zäher als Hühner, wie ich später herausfinden sollte.

Seit der alte Mann ihn umwickelt fand, hatte Turk ein sonderbares Zeichen auf der linken Brust, das im Laufe der Jahre mitwuchs. Es ist ein Kreis mit sieben Punkten außer-halb und einem großen rotfarbigen Punkt in der Mitte, aus dem sieben Strahlen ausgehen. Der alte Mann, der den Namen Issan trug, nahm sich dem im Wald gefundenen Kind an.

Von da an lebten die Zwei in einer bescheidenen Holzhütte mit einem noch kleineren Stall, wo eine Art Ziege - wie gesagt, Art Ziege - lebte. Ihre Milch war gelblicher und fester, aber nahrhaft, wie mir Turk später versicherte. Vor der Hütte lag ein kleines Feld mit allerlei Gemüsen und Obstsorten, die hier nicht an Bäumen hingen, sondern am Boden wuchsen.


Am Besten schmeckten mir die Gulsen, die gelegentlich auch wild wachsen. Sie sehen wie grüne Gurken aus, schmecken aber saftig süß.

Issan brachte dem kleinen Turk, sobald er laufen konnte, die Kunst der Magie bei. Schon nach wenigen Jahren merkte Issan, daß der Junge nicht nur begabt war, sondern ein großes Talent entwickelte.

Bevor Turk sein zehntes Lebensjahr erreichte, konnte er bereits fliegen und sich unsichtbar machen, was dem alten Issan schwer zu Kopf stieg, denn der kleine Turk machte allerlei Späße mit dem alten Mann. Doch mit der Zeit wurde der Junge vernünftiger und ruhiger, was Issan dankbar annahm. Turk verdankte Issan sehr viel. Nicht nur die Kunst der Magie, sondern auch die Sprachen brachte er ihm bei, z.B. die thuslanische, die tahleische und mehrere Umgangsformen, die wie Laute klingen. Denn in manchen Dimensionen gibt es keine Sprachen, aus dem einfachen Grund, weil nicht jede Dimension die gleiche Kultur und den gleichen Entwicklungsstand hat. Das bedeutet, daß es bei uns Flugzeuge gibt, während zur selben Zeit in Thuslan noch mit Pfeil und Bogen geschossen wird.

Es kam die Stunde, als Turk 20 Jahre alt wurde und damit seine Reife erreicht hatte. So mußte er nun seine Lehrprüfung in Magie bestehen. Aus welchen Aufgaben die Prüfung bestand, hat er mir nie erzählt, weil es ein Ehrencodex ist, der nicht gebrochen werden darf. Turk bestand die Prüfung. Jetzt konnte er selber Rituale und Beschwörungen entwickeln, die nach einigen Fehlschlägen zum Ziel führten. Im Großen und Ganzen war Issan sehr zufrieden mit Turk.

Nach einer schweren Krankheit dauerte es mehrere Wochen, bis Turk sich wieder erholt hatte. Mittlerweile gingen die Jahre ins Land, und Turk wurde ein stattlicher junger Mann mit breiten Schultern und kräftiger Muskulatur


- die wahrscheinlich von der harten Feldarbeit kam, die Issan genauso wichtig wie das Magielernen war. Turk hatte sich einen Pferdezopf wachsen lassen, jedoch keinen Bart, was in Thuslan ungewöhnlich war, denn Bärte verkörperten Männlichkeit.

Als Turk wie üblich in den alten Büchern las, entdeckte er die Formel einer Mixtur, die denjenigen, der sie einnimmt, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr altern läßt. Issan verbot die Mixtur zu benutzen, denn es gibt kein Gegenmittel, was bedeutet einmal genommen ist unwiderruflich. Doch Turk hörte nicht auf den Alten. Als Issan mal wieder in die Stadt Monko ging, die zwei Fußstunden entfernt war, braute sich Turk die Mixtur zusammen. Die grüne Flüssigkeit brodelte geheimnisvoll im Glas. Turk zögerte ein wenig. Doch auf einmal kippte er das »Getränk« den Gaumen hinunter - und sackte langsam in sich zusammen. Dort blieb er liegen, das leere Glas in der Hand, und wurde erst wach, als Issan ihn unfreundlich am Oberarm schüttelte. »Du Narr!«, fuhr er Turk an, der langsam erwachte. »Was hast du ge- tan?« »Du wirst nicht mehr altern. Das heißt aber nicht, daß du unverwundbar bist!« »Was ist daran falsch nicht mehr zu altern? In anderen Dimensionen werden die Leute tausend und mehr Jahre alt!«, protestierte Turk. »Du hast Recht, du Lümmel, aber diese Leute erreichen ihr Alter von Natur aus. Verstoße nicht gegen deine Natur. Wir in Thuslan werden nun mal nur hundertfünfzig Jahre alt, die Tahler noch weniger. Ich verstehe deinen Wunsch nicht zu altern, aber wehe dir, wenn du es ändern willst und es dann nicht abwenden kannst.« So sprach der Alte. »Ich habe jetzt viel Zeit es auszuprobieren«, sagte Turk frech, was er besser nicht getan hätte, denn in diesem Augenblick bekam er eine schallende Ohrfeige.


Turk erzählte mir, daß man besser den Mund hält, wenn Issan wütend war. »Durch die Mixtur wird sich dein Körper nach dem Tod spurlos auflösen, sie werden dich niemals beerdigen können.«, sprach Issan und das waren seine letzten Worte, denn an diesem Abend redete er kein Wort mehr, erinnerte sich Turk. Als einige Monde vergangen waren, fragte sich Turk, wie schon so viele Male, was sein Zeichen am Körper zu bedeuten habe und wer seine Eltern waren. Er wollte wissen, woher er kam. Es war Winter geworden, ein strenger Win- ter und der alte Mann wurde sehr krank. Er erklärte Turk, daß sein Ende nahe sei. »Mein alter Körper kann meine Seele nicht mehr halten. Geh nun, mein Junge, ziehe aus um zu erfahren, wer du bist.«, sagte er mit zitternder Stimme. »Es ist an der Zeit, Turk, dir fehlt die Lebenserfahrung eines wahren Magiers, denn Magie alleine macht noch keinen Magier aus. Viel Weisheit gehört dazu und die erlangt man nur durch Erfahrungen, die man in seinem Leben sammelt. Lerne aus deinen Fehlern.«

Turk erinnerte sich ungern an die letzten Worte des Alten. Ihm ging es sehr zu Herzen, und als Issan starb, starb auch ein Teil von ihm. Für Turk war Issan Vater, Mutter und Lehrer in einem gewesen und er war immer ein guter Freund. Turk baute für Issan ein großes Monumental aus Steinen, unter dem er ihn in einer geheimen Kammer verbarg. Nach wenigen Tagen zog er aus, um in die Stadt Monko zu gehen. Die Zeit Erfahrungen zu sammeln war gekommen. Nachdem er seine wenigen Habseligkeiten verstaut und seinen Beutel mit Proviant gefüllt hatte, machte er sich auf den Weg.

Bald sah er die vielen Dächer in der Ferne. Monko ist eine Hafenstadt, wo viele Seeleute leben. Sie ist mit einer klei- nen Walfängerstadt aus dem sechzehnten Jahrhundert zu vergleichen.


Turk ging hinunter zum Hafen und heuerte als Matrose an, ohne preiszugeben, daß er ein Magier war. Issan hatte ihn zuvor gewarnt, man fürchtete sich vor ih- nen. Es war zwar nicht so schlimm wie in Tahle, wo sie Hexer und Hexen, wie sie sie nannten, verfolgten um sie auf Scheiterhaufen zu verbrennen, aber einige Seeleute waren sehr abergläubisch, weshalb es Turk vorzog zu schweigen.

Zum ersten Mal war Turk auf sich allein gestellt. Er sah viele Städte, viele Länder bei seinen Reisen. Wohin er auch kam, er fragte die Leute über sein Zeichen, das er mittler- weile auf Pergament gemalt hatte, aber er hatte keinen Erfolg, niemand konnte ihm auch nur den kleinsten Hinweis geben. Es vergingen Jahre, viele Jahre, die Turk als Seemann zubrachte, als er endlich in einer Hafenkneipe einen Mann traf, der sagte, er habe das Zeichen in einem alten Buch gesehen, das hier in der Bibliothek steht. Er hatte dort einmal mitgeholfen, als vor einigen Jahren Vandalen mehrere Bücherregale umgeworfen hatten. Dabei blätterte er ein Buch auf, in dem er das Zeichen sah. Turk erkundigte sich nach dem Weg und betrat einige Minuten später den großen Empfangssaal der Bücherei mit den zahlreichen Gängen, die sehr hohe Bücherregale bildeten. Er ging auf einen Schreibtisch zu, an dem die Bibliothekarin saß und legte das Papier auf den Tisch. Die junge Frau schaute es sich an und ohne etwas zu sagen ging sie fort und verschwand in einem Gang. Turk wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Einige Zeit später, als Turk sich gerade entschlossen hatte wieder zu gehen, kam sie mit einem alten dicken Buch wieder, legte es vorsichtig auf den Tisch und schlug langsam nach. »Wir glauben es ist ein altes Druidenbuch, aber genau wissen wir es nicht. Die Schrift ist tahleisch.«, sagte sie. Ein Buch aus Tahle, dachte sich Turk, wie es wohl in die Bücherei gekommen war? »Hier!«, riß ihn die Frau aus seinen Gedanken.


»Das ist es.« Sie drehte das Buch zu Turk herum, so daß er einsehen konnte und sagte dabei: »Die Schrift kann ich leider nicht lesen.« Ich schon, dachte Turk. Er sagte mir so aufgeregt wie damals sei er selten gewesen. Jetzt bestand eine kleine Hoffnung zu erfahren, wer er ist oder zumindest etwas über sein Zeichen zu erfahren. Es fiel ihm schwer das Handgeschriebene zu übersetzen und er konnte nicht jedes Wort herausfinden, aber er konnte den Sinn der Zeilen erfassen. Er fand heraus, daß die Zeichnung unter dem Text ein Druidenplatz in Tahle ist, auf einem Berg, den sie den

»Hexenberg« nennen. Er ist nah bei einem Ort namens Salem. Die Punkte waren wohl Sitzplätze und in der Mitte war ein Tisch. Warum er strahlte, konnte Turk nicht sagen, nur daß die Punkte mit seinem Zeichen genau übereinstimmten, so- gar die Farben. Weiter stand im Buch, daß sich die Druiden in einer bestimmten Nacht dort trafen, in der Walpurgisnacht. Einige Seiten weiter erblickte er Formeln, die er sich abschrieb. Dann klappte er das schwere Buch zu und bedankte sich herzlich bei der hübschen Frau, die ihm nachlächelte.

Turk wußte nun, daß er nach Tahle mußte um mehr zu erfahren. Er ging hinunter zum Ankerplatz, verabschiedete sich von seinem Kapitän und ließ sich auszahlen. Nachdem er sich ein paar Sachen besorgt hatte, die er brauchte, ging er in einen Wald, der ganz in der Nähe lag, und suchte sich eine Lichtung. Mit Pulver zeichnete er ein Pentagramm auf den Boden, setzte sich in das Zentrum, erhob die Arme von den Seiten her und eine bläuliche durchsichtige Kugel wuchs zwischen seinen Händen. Sie wurde immer größer, bald nahm sie den ganzen Körper ein. Als die künstliche Kugel den Rand des Pentagramms berührte verschwand sie und mit ihr Turk.

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